Guatemala - Flores & Tikal

Veröffentlicht am 21. Mai 2023 um 20:07

Der kleine Ort direkt am Grenzfluss hiner Belize heißt Melchor de Mencos und hat nicht viel zu bieten. Sofort stürmen eifrige Taxifahrer auf uns zu und bieten an, uns ins ca. 90Km entfernte Flores zu bringen. Wir lehnen dankend ab und begeben uns zum Busterminal, wo schon ein Collectivo nach Flores wartet. Collectivos sind kleine Minibusse, welche überall in Lateinamerika zu finden sind.

Sie sind deutlich günstiger als Taxis, dafür aber gerne auch mal überfüllt und sie fahren erst ab, wenn der Fahrer der Meinung ist, er habe genug zahlende Passagiere an Bord. Das kann manchmal etwas dauern. Wir müssen jedoch nicht allzu lange warten und los geht die wilde Fahrt.

Das Terrain ist ziemlich hügelig und kurvig, doch unser Fahrer gibt richtig Gas und überholt gerne auch mal in einer Kurve, Zeit ist Geld. Nach Etwas mehr als einer Stunde und mehreren Nahtoderfahrungen, passieren wir die Abzweigung nach Tikal und fahren von nun an parallel am Lago Petén Itzá vorbei.

Die Stadt Flores liegt auf der kleinen Insel San Andrés im Südwesten des Sees und ist durch einen künstlichen Damm mit dem Festland und dem Vorort Santa Elena verbunden. Dort am Busterminal endet auch unsere Fahrt. Wir sparen uns ein Tuk Tuk und laufen die kurze Strecke über den Damm auf die Insel. Ist Santa Elena eine ziemlich dreckige und laute Stadt, so ist Flores das komplette Gegenteil. Kleine alte Häuschen und gepflasterte Gässchen verleihen dem Ort einen niedlichen, mediterranen Charme. Natürlich sind auch deutlich mehr Touristen anzutreffen als auf dem Festland, man befindet sich also auch im übertragenen Sinne auf einer Insel.

In unserem Hostel angekommen buchen wir direkt für den nächsten Morgen eine Tour nach Tikal. Um sechs Uhr früh soll es mit dem Bus losgehen, sodass man gegen sieben Uhr dort ist. Man hätte auch noch früher losfahren können, um in Tikal den Sonnenaufgang zu bestaunen, das kostet allerdings extra und da Regenzeit herrscht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich die Ruinen am Morgen im dichten Nebel des Regenwaldes befinden werden. Nachmittags besorgen wir noch etwas Bargeld und erkunden die kleine Stadt. Auffällig ist sofort, dass die Uferstraße teilweise unter Wasser steht. Der Lago Petén Itzá hat keinen natürlichen Abfluss und scheinbar hatte es in letzter Zeit mehr geregnet als üblich, sodass manche Häuser nur noch über Stege trockenen Fußes erreichbar sind.

Am nächsten Morgen geht alles glatt, der Bus ist pünktlich und so sind wir gegen sieben Uhr am Eingang des riesigen Nationalparks, welcher nicht nur die Ruinenstädte Tikal und Uaxactún, sondern auch ein riesiges Urwaldgebiet umfasst, in dem man auch mehrtägige Wanderungen durch den Dschungel unternehmen kann.

Der Einlass in den Park gestaltet sich etwas hektisch, denn wir haben unsere Reisepässe nicht mitgenommen. Diese sind aber offenbar von Nöten um in den Park zu gelangen. Zum Glück haben wir sie auch als Foto auf dem Handy abgespeichert und der freundliche Parkwächter drückt ein Auge zu. Etwas irritierend ist auch, dass der Parkeingang offenbar von Soldaten mit Maschinengewehren bewacht werden muss. Kein seltener Anblick in diesen Ländern (Insbesondere vor Supermärkten, Malls oder Banken), aber dennoch irgendwie verstörend.

Nachdem die Einlassformalitäten geklärt sind, geht es noch einmal eine halbe Stunde weiter Richtung Norden, ab jetzt auf einer schmalen aber gut asphaltierten Landstraße und durch dichten Urwald. Obwohl wir ziemlich schnell fahren und viel Verkehr herrscht, entdecken wir sogar Affen in den Bäumen und unsere Müdigkeit weicht großer Vorfreude.

Am Eingang von Tikal angekommen machen wir uns ohne Führer auf den Weg zu den Ruinen, nicht ohne Vorher ein Foto von der Karte des riesigen Geländes zu machen, eine Karte zum mitnehmen hätte selbstverständlich extra gekostet.

Bereits kurze Zeit nach dem wir uns in den dichten Urwald aufmachen, erreichen wir die ersten kleineren Tempel. Es ist menschenleer und die Geräusche des Waldes sind laut und deutlich zu hören. Leider haben sich unserer Gruppe auch zwei Chilenen und zwei US-Amerikaner angeschlossen, die fortwährend lautstark die Umgebung zusammenschreien. So werden wir wohl keine wilden Tiere, auf die wir neben der Besichtigung der schönen Pyramiden insgeheim gehofft haben, sehen können.

 

 

 

Und so machen wir uns an einer Weggabelung auf und davon und haben endlich unsere Ruhe. Nach einigen weiteren kleineren Tempeln und der ersten größeren Pyramide, erreichen wir den zentralen Platz mit den berühmten Tempeln I und II. Es ist immer noch erstaunlich leer und freudig besteigen wir die Pyramiden und schießen tolle Fotos.

Seitlich des Hauptplatzes auf der Akropolis begegnen wir einer sehr entspannten Gruppe Klammeraffen, die verschlafen in den Bäumen sitzen. Offensichtlich sind sie an Menschen gewöhnt, denn sie machen keine Anstalten sich ins Dickicht zu verziehen.

 

Einige hundert Meter weiter an einem Kiosk wo es Verpflegung gibt, treffen wir auf einen Nasenbären (Coati), welcher sich uns ohne größere Scheu nähert. Er ist anscheinend an unseren Tortillachips interessiert, welche wir uns aufgemacht hatten. Aufgerichtet auf die Hinterpfoten bettelt er uns um Futter an. Einerseits bin ich begeistert so ein Tier mal aus der Nähe zu betrachten, andererseits hat das mit wilder Natur offensichtlich nichts mehr zu tun. Abgeben tun wir natürlich nichts, „wilde“ Tiere füttert man nicht und wir gehen weiter durch den dichten Dschungel zu den nächsten riesigen Pyramiden.

Wir hatten uns ganz bewusst gegen eine Tour mit einem Guide entschieden, denn die allgemeine Geschichte der Maya ist uns durch vorherige Touren durchaus bekannt und oftmals erzählen die Führer an den verschiedenen Orten so ziemlich das Gleiche. Jahreszahlen und Namen bestimmter Herrscher, kann man auch den Infotafeln entnehmen, welche hier in Tikal allerdings ziemlich rar sind. Die großen, teilweise überwucherten Tempel, sowie der dichte Dschungel mit den Tieren sind auch ohne detaillierte Informationen zu jeder einzelnen Stele überaus beeindruckend und so ist es eher eine Abenteuerwanderung als eine Geschichtsexkursion. Der letzte Tempel den wir erreichen ist gleichzeitig der Höchste und beim Erklimmen kommen wir ganz schön ins Schnaufen. Es ist mittlerweile später Vormittag und ziemlich schwül. Ab und an bricht die Sonne durch die dichte Wolkendecke durch. Oben auf dem 65m hohen Tempel angekommen hat man einen fantastischen Rundblick über die Ruinenstadt und den dichten Urwald.

Fun Fact: 1977 wurden einige kurze Außenszenen für den Krieg der Sterne Film in Tikal und in Palenque (Mexiko) gedreht und jetzt haben wir die gleiche Aussicht! Nach einer kurzen Rast auf der Pyramide machen wir uns auf den Rückweg zum Ausgang denn mittags fährt unser Bus zurück. Auf einer Lichtung kommen wir noch an einer großen Gruppe Nasenbären vorbei die Seelenruhig auf der Wiese nach Nahrung sucht, sehr putzig!

Kaum sind wir in unseren Bus eingestiegen geht ein starker Regenschauer nieder und wir sind froh im Trockenen zu sitzen. Bei der Fahrt zurück geht jeder seinen Gedanken nach, Tikal ist ein unglaublich beindruckender Ort. Die Pyramiden und Tempel sind wunderschön und der dichte Urwald und die tiefen nebligen Wolken verstärken den mystischen Eindruck. Wenn es nicht so teuer wäre, hätten wir gut und gerne ein paar Nächte in der parkinternen Lodge verbringen und weitere Wanderungen unternehmen können.

Wieder in Flores angekommen, regnet es munter weiter und ich stelle in der „Windy“ App fest, dass wohl ein Hurrikan vom Atlantik im Anmarsch ist („Julia“). Das verspricht nichts Gutes für die nächsten Tage und unser Hostelbesitzer sagt uns, dass Tikal bereits verkündet hat, die nächsten Tage geschlossen zu sein. Glück gehabt!

Am nächsten Tag erhärten sich die Befürchtungen, dass uns der Hurrikan treffen wird. Allerdings ist es doch harmloser als erwartet. Es stürmt nicht etwa, es regnet nur die ganze Zeit. Allerdings wird auch so eine Weiterreise unmöglich gemacht, denn viele Straßen sind in der Nacht überschwemmt oder von Erdrutschen gänzlich weggerissen worden. Auch sind einige wichtige Brücken beschädigt worden sodass wir erst einmal in Flores festsitzen und unsere Weiterreise nach Rio Dulce verschieben müssen.

Für unseren Host kein Problem, wir dürfen unseren Aufenthalt verlängern.

 

Einen Tag darauf sind die Straßen noch nicht wieder befahrbar und so machen wir einen kleinen Ausflug auf die gegenüberliegende Seite des Sees. Dort soll es einen schönen Aussichtspunkt geben und auf Google Maps entdecken wir ein kleines Museum mit Maya Artefakten, welches kostenlos sein soll. Also setzen wir mit einer kleinen Lancha über den See zum kleinen Örtchen San Miguel über.

Dort angekommen machen wir uns auf dem Weg zum Museum, welcher über extrem Steile Sträßchen den Berg hoch und vom Ufer wegführt. Das Museum ist tatsächlich kostenlos und beherbergt einige sehr schöne Maya Artefakte, auch neueren Datums. Etwa eine Stunde schauen wir uns um und machen uns dann auf den Weg zurück in den Ort um zum Aussichtspunkt zu gelangen.

Unsere Wanderung wird immer wieder von heftigen Regenschauern unterbrochen, welche das Regenwasser sturzbachartig den Hang herunterfließen lassen. Westlich von San Miguel geht es wieder Steil den Berg hinauf, einige Male müssen wir Einheimische nach dem Weg fragen, denn es ist nichts ausgeschildert. Die Wege sind mittlerweile sehr schlammig, doch sehen wir auch wieder Brüllaffen in den Bäumen und als wir den Mirador, ein bunt bemaltes Holzgerüst auf der Spitze eines Hügels, erreichen, bietet sich uns ein wunderschöner Blick auf den See und auf die kleine Inselstadt Flores mit ihren bunten Häuschen.

Langsam beginnt es bereits zu dämmern, denn wir waren erst mittags losgegangen, vormittags hatten wir Edgar zum Friseur im Einkaufszentrum begleitet, haha! Auf dem Rückweg ins Dorf laufen wir unbedarft und quasselnd nebeneinander her bis mir plötzlich aus dem Augenwinkel auffällt, dass der Stock auf dem Weg gar kein Stock, sondern eine Schlange ist. Mariam erschrickt ebenfalls und reißt mich zurück. Nach den ersten Schrecksekunden stellen wir fest, dass die Schlange zwar giftig ist (später stellt ich heraus, dass es sich um eine Terciopelo handelte), jedoch hatte ihr bereits jemand den Hals durchtrennt. Merle ist ganz begeistert (nicht davon, dass sie tot ist, aber von der Möglichkeit sie genauer betrachten zu können) und macht viele Fotos.

Einige Meter weiter erreichen wir die ersten Häuser von San Miguel und vor einem Haus steht eine Menschentraube um eine lebendige Boa Constrictor herum. Die Einheimischen erzählen uns, dass sie die Terciopelo getötet haben, denn sie sei sehr gefährlich. So nah an den Wohnhäusern könne man es nicht riskieren, dass die Schlange in eines der Häuser eindringt und versehentlich jemanden beißt. Leider hören wir auch, wie sie ankündigen auch die eigentlich harmlose Boa töten zu wollen und machen uns schnell davon, damit wollen wir nichts zu tun haben. Auch wie sie die Schlange ärgern ist kein schöner Anblick und über unsere schockierte Reaktion amüsieren sie sich sichtlich. Einerseits sind wir ziemlich verstört über des Verhalten der Einheimischen gegenüber den Schlangen, aber wir sind auch glücklich die Tiere gesehen zu haben und hoffen insgeheim, dass das mit der Boa nur ein makabrer Scherz war (vermutlich nicht…).

Abends gehen wir auf dem kleinen Hauptplatz in Flores an unserem (mittlerweile) Stammimbiss essen. „Combo #3“, Tostada, „Superburrito“, Tacos und ein Getränk, einfach köstlich! Zweimal waren wir auch in Restaurants essen, wo es immerhin leckere Craftbiere und gutes Essen gab, welche aber auch deutlich teurer waren als dieser köstliche Imbisstand. Nach dem Abendessen schauen wir uns noch ein Basketballspiel zweier örtlicher Mannschaften auf dem anliegenden Basketballfeld an.

Die nächsten Tage verlaufen ereignislos und sind eher geprägt vom zähen Warten darauf, dass wir Flores endlich verlassen und uns auf den Weg nach Rio Dulce machen können. Es regnet viel und ist trüb und kühl, die Stimmung ist etwas gedrückt. Insgesamt verbringen wir fünf Nächte in Flores, zwei oder drei hätten bei Weitem ausgereicht. Als wir schließlich unseren Bus nach Rio Dulce buchen können sind wir doch sehr erleichtert. Morgens um acht geht es los vom Busterminal auf dem Festland und wieder reisen wir mit Edgar. Mariam verließ uns in Flores und reiste in eine andere Richtung, schade! Sie war uns mittlerweile richtig ans Herz gewachsen, hatte aber auch ein Zeitlimit auf ihrer Reise und musste deutlich schneller vorankommen als wir.

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Kommentare

Heidi Scholzen
Vor 2 Jahr

Liebe Merle, lieber Ole!
Danke euch für den ausführlichen und eindrucksvollen Bericht!
Passt gut auf euch auf und genießt eure Weltreise!
Bonn steht noch und ihr würdet es trotz neuer Fahrradstraßen sicherlich wiedererkennen.

Irina Ebert
Vor 2 Jahr

Hallo ihr :) schön wieder von euch zu lesen und zu hören dass es euch gut geht.....danke für die tollen Geschichten und das 'mitreisenlassen' Ganz liebe Grüße Irina